Impression 1 (04.12.)
Heimat ist, wenn man nach einem Aufenthalt in Österreich, kaum am Bahnhof angekommen, in einen deutschen Vortrag über irgend ein Thema geht (z.B. über die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland heute) und man sich hinsetzt zu den vielen, vorwiegend alten Menschen, die sich schon mindestens eine Viertelstunde früher dort eingefunden haben. Zur Einleitung kommt dann irgendjemand vom veranstaltenden Verein nach vorne und redet. Die Person heisst alle herzlich willkommen, erwähnt die Veranstaltungsreihe, zu der der heutige Vortrag gehört, und findet immer irgendwelche Worte des Besinnens, die zum Anlass passen, z.B. darüber, wie wichtig die Beziehungen zu unseren osteuropäischen Nachbarn in einer globalisierten Welt sind und darüber, dass Europa ein Bündnis der Demokratie und der Freiheit sein sollte, mehr als ein freier Markt also. Der Tonfall ist bei diesem alt bewährten, unverzichtbaren Genre der "Einleitung zu einem Vortrag" immer nüchtern und ernst. Wohl überlegt und äusserst in ihrer formalen Komponente bedacht wirken die Worte. Alle sitzen da und hören zu. Es ist wie wohl sonst auch immer. Nur ich habe ein wenig Wasser in den Augen, unerklärlicherweise.
Heimat ist, wenn man nach einem Aufenthalt in Österreich, kaum am Bahnhof angekommen, in einen deutschen Vortrag über irgend ein Thema geht (z.B. über die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland heute) und man sich hinsetzt zu den vielen, vorwiegend alten Menschen, die sich schon mindestens eine Viertelstunde früher dort eingefunden haben. Zur Einleitung kommt dann irgendjemand vom veranstaltenden Verein nach vorne und redet. Die Person heisst alle herzlich willkommen, erwähnt die Veranstaltungsreihe, zu der der heutige Vortrag gehört, und findet immer irgendwelche Worte des Besinnens, die zum Anlass passen, z.B. darüber, wie wichtig die Beziehungen zu unseren osteuropäischen Nachbarn in einer globalisierten Welt sind und darüber, dass Europa ein Bündnis der Demokratie und der Freiheit sein sollte, mehr als ein freier Markt also. Der Tonfall ist bei diesem alt bewährten, unverzichtbaren Genre der "Einleitung zu einem Vortrag" immer nüchtern und ernst. Wohl überlegt und äusserst in ihrer formalen Komponente bedacht wirken die Worte. Alle sitzen da und hören zu. Es ist wie wohl sonst auch immer. Nur ich habe ein wenig Wasser in den Augen, unerklärlicherweise.
Ja, das ist wohl Deutschland: dieses kleinliche Reflektieren, das Abwägen jedes Wortes im stillen Kämmerlein, um es nachher sauber, perfekt vortragen zu können; jenes Gemisch aus Distanzierung und Annäherung, das man mit der Sprache mühselig zu konstruieren versucht, und auch die Anforderung an einen selbst, mit Worten genau das auszudrücken, was man denkt. Es steckt sehr viel Bedächtigkeit in einer solchen Rede, sehr veil Eifer und Mühe, etwas intelektuell Schönes, für den Mernschen innerlich Erbauliches zu kreieren und in Worte zu fassen. Es ist wahrscheinlich ein Stück der deutschen Seele, was sich mir da gerade offenbart, und ich weine wohl, weil ich merke, dass ich Deutschland auch deswegen liebe
Impression 2 (09.12.)
Am Ostkreuz aussteigen, morgens um 8, miiten in den Berufsverkehr hinein. Sich durchwühlen durch das Menschengedränge, die Treppen herauf zum Bahnsteig der Ringbahn (ein Wunder: er ist wie leer gefegt). Die Belohnung für den harten Kampf mit Koffer, Rucksack, Tasche und Körper ist der Ausblick auf eine Zement- und Gleiswüste, auf eine Bau- und Schuttlandschaft mit Krähnen, die sich gen Osten erstreckt (das Ostkreuz wird im Moment umgebaut), rechts und links von heruntergekommenen DDR- und Altbauten flankiert. Im Hintergrund ein rauchender Schlot - das Kohlekraftwerk Lichtenberg - und ganz hinten die langsam aufgehende Sonne, deren orange-rotes Licht sich in den wenigen Wolken reflektiert, die am Himmel stehen. Eigentlich ist der Ausblick nicht schön, sehr hässlich sogar. Aber ich habe hier gelernt, in diesem Tagesanbruch voller Menschen, Hektik und Unvollkommenheit ein Zeichen des Optimismus zu sehen, ein Zeichen dafür, dass troz allem heute etwas Neues beginnen kann. Auch das ist Heimat.
Impression 3 (09.12.)
S Bornholmer Strasse. Hier ist wirklich schon fast zu Hause. Ich gehe über die Brücke (die Böse Brücke, die erste, an der die Grenzen damals geöffnet wurden) und sehe ein Flugzeug, das seinen wunderschönen Ost-West-Anflug auf Tegel macht (schön, weil man so die ganze Stadt sehen kann, wenn man ganz links, also auf einem Platz A im Flieger sitzt). Beim Genauen Hingucken stellt sich heraus, dass es eine Iberia-Maschine ist, die Mittagsmaschine aus Madrid, wie üblich etwas verspätet (eigetnlich hätte sie schon um 11.35 landen sollen). Ich grüsse mit der Hand, lächele, denke an die Spanier, die da drinnen sitzen und Berlin vielleicht zum ersten Mal sehen. Automatisch ist die Erinnerung an die vielen Male da, die ich selber eben diesen Flug angetreten habe, und auch die Erinnerung an meinen ersten Flug nach Berlin. Es war Nacht, man sah die vielen Lichter, den Lichterteppich, der sich unter einem ausbreitete, und draussen schneite es.
Bald werde ich selbst wieder nach Spanien fliegen. Irgendwie freue ich mich, weil ich schon lange nicht mehr da war, Freunde und Familie wieder sehen möchte - andererseits fehlt mir hier auch Nichts. Ich bin einfach glücklich, daheim.
Wieder einmal tut sich der Gedanke auf, dass es ein grosses Glück ist, zwei "Zuhauses", zwei Heimaten zu haben, zu denen man immer wieder gehen kann; zwei Pässe, die einem sagen, dass man sowohl hier als auch da beheimatet ist und dazu gehört.
Wie schön ist es, das zu wissen...
Wie schön ist es, das zu wissen...