Samstag, 15. November 2008

Dem Graeuel ins Gesicht schauen und andere Arten mit dem Holocaust umzugehen





Liebe Blogleserinnen und Leser!

Es tutn mir Leid, euch schon seit drei Tagen mit keinen Nachriochten versorgt zu haben, aber die Internetanbindung und das ausgefuellte Programm und Afterhour-Programm haben mir keine Gelegenheit dazu gegeben, euch zu schreiben. Es waren ja auch nicht alle Tage interessqnt: von den letztetn dreien nur heute und vorgestern. Wir fabgen also it vorgestern an und machen dann mit dem heutigen Tag weiter :-)

Vorgestrn sind wir nicht nach Acco gefahren (wie ich faleschlicherweise angekuendigt hatte) sondern nach Massua und Haifa. Massua ist ein Kibutz, der etwa 30 km noerdlich von Tel Aviv liegt und in dem eine Gedenkstaette zum Prozess Joseph Eichmanns eingerichtet ist. Joseph Eichamnn war unter den Nazis bei der SS und der Reichsbahn und hat von seinem Schreibtisch aus die Trasmporte der gesamten europaeischen juden in die KZ's (also in den Tod) organisiert. Eine enorme logistische Leistung, wie man gestehen mus. Nach dem Untergang des Dritten Reiches hat er sich dann nach Lateinamrika gefluechtet, konnte aber ende der 50er oder anfang der 60er Jahre vom Mossad gefasst und entfuehrt werden. In Israel wurde ihm dann der Prozess gemacht, nach dessen 8monatigen Vrlauf er dann zum Tode verurteilt wurde.

Fuer das Land Israel war dieser Prozessss sehr wichtig. er wurde i Radio ausgestrahlt und nahezu 200 Zeugen wurden von dem Chefanklaeger vor das Gericht geladen. Nur 9 von ihnen hatten eine unmittelbare Beziehung zu Eichmann gehabt - hatten also nach den allgemein herscehden echtsprinzipien nicht worklich etwas in der Sache gegen Eichmann hervorzubringen. Es ging den israelis abr auch nicht um einn juristisch korrekt gefuerhtem prozess, oder zumindest nicht dem Chefanklaeger und der Oeffentlichkeit. Die Bedeutung war eher symbolisch: der Staat Israel ueberfuehrt einen Handlanger des Holocausts, kofrontiert ihn mi dem Leiden der Opfer, mit dem Leid des juedischen Volkes und spricht an ihm stellvertretend fuer den gesamten Apparat (der ja teilweise schon verstroben, veruteilt oder nicht gefasst war) Recht.

Es steht ausser Frage, dass Eichmann fuer seine Verbrechen die hoechste Strafe verdiente (bei den israelis war das damlas die Todessstrafe), aber wie in Teilen auch beui den Nuernberger Perozessen ging es hier nicht um einen rein juristisch auszutragebnden, sondern um einen symbolischen, grundsaetzlichen Prozess, der fuer die Meinungsbildung in Israel sehr wichtig war. Es mag einem komisch vorkommen, aber es scheint tatsaechlich so gewesen zu sein, dass die Holocaustopfer in Israel bis zum Prozess (1961) nahezu keine Stimme gehabt haben: man schaemte sich ueber die Berichte der Ueberlebenden, konte sie scheinbar nicht glauben, nicht fassen. Und so hatten diese verletzten Menschen, die in grossen Teilen nach Israel - ihrer Heimat- gegangen waren, auch dort kein Gehoer gefunden.

Es war also ein grosser Aufschrei damals. Unser Fuehrer erzaehlte uns, wie er als junger Erwachsener acht Monate lang gspannt dem Radio zugehoert hatte, wie dei Kinder in den Schulen, die Leute in den Bueros, und wie diese Gesellschaft zum ersten Mal den Zugang zum Holocaust fand. Ein Aufschrei des Schmerzes muss das gewesen sein, mir kamen selber die Traenen, als ich die vom Schmerz gezeichneten Menschen in den Viedoaufnahmen sah, wie sie vor dem Gericht von ihrem Leid erzaehlten.

Eine der bewegensten Szenen war die, bei der ein juedisches Miglied des Gerichts oder der Anklage einen Uebberlebenden fragte, warum er und alle anderen sich damals nicht gewehrt haetten. Warum sie sich hatten drangsalieen, einsperren, schlagen oder gar erschiessen lassen. Stellt euch das mla vor: einen Menschen, der Undenkliches erlitten hat, einer genauso grausamen wie willkuerlichen macht ausgesetzt war, so etwas zu fragen... Der Mensch fiel dann auch in Ohmacht, der Gerichtssaal schrie vor Entruestung.... Es war schrecklich, sich das anzusehen.

Dann war der Film vorbei und wir setzten uns in Gang zu einem Gespraech mit einer Holocaust-Ueberlebenden. Auf dem Weg dorthin geriet ich an eine Gruppe von drei Personen. Die waren gerade dabei zu sagen, dass die Veruteilung eichmanns ja nicht ganz rechtens war: er sei ja kein grosses Tier gewesen. Ich meinte, wenn wir nur Hitler und Himmler verurteilen koennen sei das etwas wenig, und einer der drei entgegnete, wo man den bitte die Grenze setzen sollte? "Dann koennten wir in der DDR uch alle fuer schuldig erklaert werden" (er ist ein Ossi) "und ueberhaupt, wollen Sie auch den Lockfuehrer und den Weichensteller anklagen? Moralisch sind wir alle schuyldig, aber wo ziehen Sie die juristische Grenze?" Ich war doch sehr entsetzt. Wahrscheinlich haben diese Menschen tatsaeclich einen anderen Zugang zum Thema, weil sie in einer Diktatur Mitlaeufer gewesen sind und ANgst vor ihrer eigenen Teilschukld haben.... Aber Eichmann, dem Organistaor der Massentransporte, die Schuld abzusprechen? Ihm, der sogar die Kz's und Krematorien selbst besucht und sich dabeei uebergeben hatte? Ihn, der freiwillig in die S und nach Karriere gesrebt hatte, mit einem Lockfuehrer vergleichen? Die Worte und Gedanken dieser Menschen gingen ir wie ein Stuch durchs Herz. es waren Deutsche, vermeintlich politisch sensibiisierte Teilnehmer einer politschen Bildungreise.... Was koennen dann andere Deutsche erst denken?

Aber es kam noch besser: die eine Frau aus dem Dreiergestell meinte naemlich, das, was wir gesehen haette sei alles Demagogie uynd vor 11 Jahren, als sie zum ersten Mal dagewesen sie, waere die Darstellung der Geschichte viel besser gewesen. Die Forschung haette sich eben mehr mit der Frage danach befasst, was die Juden haetten tun koennen, um ihr Schicksal zu vermeiden. In ihren Worten schwang also eine Beschuldigung der Opfer mit (wie fast immer, wenn diese Frage so in den Vordergund geraet). Diese armen Menschen, die alles verloren hatten!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Ihre Familie, ihre Heimat (Heimat, nicht ihr Hua9s), ihre Freunde, ihre Wuerde.... Ich habe schon wieder fast geweint und konnte diese Frau ur entsetzt anstarren und ihr sagen, dass ich ihre Worte hoechts problematisch fand.

Mit diesen Gedanken ging ich dann in die Begegnung mit Orna Birnbach.

Orna Birnbach ist 80 Jahre alt. Sie hat einie eigne Internetseite, in der sie ihre Geschichte erzarhlt. Als sie sich vor etwa 30 Jahren entschied, aus ihrem Leidensweg Kraft zu ziehen und ihre Erfahrung anderen Menschen wieterzugeben, lernte sie die Sprache des Volkes, das ihre gsamte Famili ermordet und hatte um mit Menschen wie mir direkt reden zu koennen. Ihre Erzaehlung war gefasstm, vielleicht nur bei der Wahl einelner Woerter etwas pathetisch, und auf jeden Fall sehr bewegend. Nacheinander zaehlte sie uns die Greuel der einzelnen Stationen auf: Plaszow, AUschwitz, Berggen-Belsen... Sie beschrieb mit ruhiger Stimme den Tag, an dem sie auf einen Shclag neun ihrer elf geschwistern verlor, die Erschiessung ihres Opas, oder die Aufloesung des Lgers in Plaszow, waehrend der ihr Vater ihr und anderen fuenfzehn Frauen in einer heorishcne Auseinandersetzng mit dem Lagerkommandanten das Leben rettete.

ich sass die ganz Zeit da und konnte nicht weinen. Gleichzeitig wusst ich nicht, wie ich dieser Frau in die Augen schauen sollte. Zu viel menschliche Groesse war s, die uns da begegenete, und gelichzetig so unbegeifbar fuer den menschlichen Verstand und die eigene Empathie-Faehigkeit, die angesichts der erzaehlten Eriegnisse bald ueberlastet war... Ich kinnte Frau Birnbach nur im Rausgehen dafuer danken, dass sie nun schin seit 30 Jahren mit bewundernswerten, geradezu ttianischen Elan anderen Menschen diese wertvolle Erahrung weitergab. Zu mehr reichten meine Worte nicht.

...

Tja.... Nun denkt mal beide erlebnisse zusammen: das Treffen mit Orna und die Unterhaltung mitden Mitreisenden. Wie kann man eines denken und Worte wie die eins Opfers hoeren, ohne dass einem das Herz im Abgrund dieses schmerzenden Widerspruches untergeht? Ich kann es nicht verstehen.... Immer noch nicht.

Unten noch ein Photo vom Sonnenuntergang in Haifa, deren unendliche Schoenheit vielliecht diesen Tag noch eine seiner weniger schmerzvollen Seiten zu verleihen mochte.
Ach so, und bevor ich es vergesse: wir hatten noch am selben Abend einen wunderbaren Vortag von einem israelischen, juedischen Professor ueber die Diskriminerung der Araber in Israel. Der Tyop war echt geil, aber ich mag jetzt hier nicht alles so detailliert wiedergeben.... Auf jeden Fall haben wir eine Menge ueber die Entstehungsgeschichte des Landes gelernt und uns noch ein weiteres Stueck der Komplexitaet dieses landes erschlossen.
Ich denke an euch.
Shalom,
P


1 Kommentar:

Christian a.k.a "Cosmopolita" hat gesagt…

Die Bemerkungen deiner Mitreisenden klingen wirklich beschämend. Auf den zweiten Blick kann man den Grund auf sowas zu kommen nur erahnen:
Es ist, für mich zumindest, unfassbar wie das damals abgelaufen ist. Das Menschen so schrecklich sein können, dass sie den mord industrialisieren. und angeblich keiner aus dem volk etwas mitbekommen hat. Aus dieser Unfassbarkeit kommen manche auf diese Ideen, denke ich. Sie sind einfach, wer auch nicht, überfordert sich vorzustellen, wie grausam unser Volk damals war.